Im Rahmen des World Beer Cup 2014, der in Denver/Colorado stattfand, wurden die Judges von der Brewers Association (BA) zu einer Tour eingeladen, um sich in Fort Collins bei drei Brauereien umzuschauen und sich so ein Bild vom heimischen Craft-Beer-Markts zu machen. Dazu musste ich nicht lange gebeten werden und saß als eine der Ersten abfahrtbereit im Bus.

Hier zunächst ein paar offizielle Zahlen zum US-Bier-Markt, die anlässlich der Craft Brewers Conference veröffentlicht wurden, um die besuchten Brauereien entsprechend einordnen zu können. Von insgesamt 2.822 Brauereien, die derzeit in den USA registriert sind, können laut der Brewers Association 2.768 als Microbreweries eingestuft werden, wozu auch sogenannte Brewpubs zählen. „An American craft brewer is small, independent and traditional“, so lautet die Definition der BA, entnehme ich den offiziellen Unterlagen. Aha, die Grenze der kleinen Brauereien liegt bei einem jährlichen Ausstoß von nicht mehr als sechs Million Barrels, das sind über den Daumen gepeilt gute 7.020.000 Hektoliter, und würde damit bei uns schon in der Liga der Großen spielen. Mit einem Marktanteil von 7,8 Prozent handelt es sich immer noch um einen Nischenmarkt, der sich aber im kontinuierlichen Wachstum befindet. Dominiert wird im Umkehrschluss der US-amerikanische Markt damit immer noch von den großen Marken aus dem Hause ABInbev sowie Miller/Coors. Die Marken der Microbreweries erfreuen sich jedoch immer größerer Beliebtheit unter den genussorientierten Verbrauchern, die stets auf der Suche nach lokalen beziehungsweise regionalen Brauereien sind und bereitwillig ein paar Dollar mehr für ein charaktervolles craft beer ein paar Dollar ausgeben.

Ganz oben auf der Liste der umsatzstärksten Microbreweries steht seit Jahren die Boston Beer Company gefolgt von der Sierra Nevada Brewing Company, beide sind mit ihren Biere auch im Ausland erfolgreich und in gut sortierten Geschäften sowie Onlineshops selbst in Deutschland ohne Probleme zu bekommen. Auf Platz drei befindet sich bereits New Belgium, das erste Ziel der Besichtigungstour nach Fort Collins.

Eine der Microbreweries, die in den USA ganz weit vorne dabei war, die Craft-Beer-Bewegung mit ins Rollen gebracht und maßgeblich vorangetrieben hat. Mit einem jährlichen Ausstoß von geplanten 840.000 Barrels im aktuellen Jahr kann man meiner Meinung nach eigentlich nicht mehr von einer Microbrewery sprechen, aber wenn man durch die Brauerei geführt wird, spürt man dennoch an vielen Stellen immer noch den Pioniergeist der ersten Stunde. Sportlich und teamorientiert muss man sein, wenn man in diesem Unternehmen arbeiten möchte. Tischkicker in der Produktion, großer Barbecue-Grill hinter dem Haus und überall Fahrräder, das Markenzeichen der Brauerei, all dies sind Zeichen einer ganz besonderen Unternehmensphilosophie. Bei entsprechender Unternehmenszugehörigkeit erhalten die Mitarbeiter nämlich Anteile an der Brauerei, sodass ein Gefühl entsteht, dass einem ein Teil der Brauerei gehört. Das Flagship der Brauerei ist das 5,2-prozentige Amber Ale mit dem bezeichnenden Namen Fat Tyre – und hier schließt sich der Kreis zu den überall vorzufindenden Fahrrädern. Die Idee zur Eröffnung einer Brauerei kam dem Firmengründer bezeichnenderweise auf einer Radtour durch Belgien vor 23 Jahren. Eine gute Idee, wie man heute beim Gang durch die Produktion sehen kann, die in Fort Collins bereits an der Kapazitätsgrenze produziert. Die Biere werden derzeit in 39 Bundesstaaten vertreiben. Um das Netz auszuweiten wird im Frühjahr 2015 das zweite Werk in Ashville an der Start gehen. Damit erhofft sich die Führungsriege ein Ausbau des Vertriebsnetzes an der Ostküste. Dort befinden sie sich in guter Nachbarschaft, da auch Sierra Nevada in der Stadt eine neue Produktionsstätte in Arbeit hat. Eine Flasche Fat Tyre durften wir uns übrigens selber vom Band nehmen und bei laufender Produktion verkosten – keine schlechte Sache.

Das nächste Zwischenziel lag einen Steinwurf entfernt: Odell Brewing Company, aktuell Platz 44 der Rankingliste. Hier hatten wir die Ehre von Doug Odell, dem Miteigentümer, geführt zu werden, der die Brauerei mit seiner Frau und Schwester gegründet hat, wenn ich ihn richtig verstanden habe. Ein sehr bescheidener Brauer, dem man die Begeisterung für sein Bier und sein Werk dennoch deutlich ansehen kann. Immer ein Glas in der Hand berichtete er über die ersten Schritte beim Aufbau des Unternehmens. Die Biere sind wie er, ehrlich, bodenständig, unaufgeregt. Sie sind klar und rund im Aromaprofil und machen quer durch das Sortiment getestet wirklich Spaß. Zum Abschluss haben wir im funkwerk Halt gemacht, eine noch ganz junge und sehr kleine Brauerei, die von Gordon Schuck und seinem Partner 2010 in den Räumen einer ehemaligen Brauerei eröffnet wurde. Auch hier hieß der Chef persönlich die Judges willkommen. Er will mit seinem Bieren die Nische „Saisonstyle“ besetzen und die ein oder andere Auszeichnung beim Great American Beer Festival gibt ihm recht, dass er einen guten Riecher hat. Die BA hat nicht zu viel versprochen – eine tolle Bandbreite an Brauereien unterschiedlichster Art und Weise und Größe. Eine runde Sache, wie die Biere von Doug Odell.

Für neubierig.de unterwegs: Biersommelière Sandra Ganzenmüller